Aufmerksamkeit, Bestätigung und Zuneigung sind Grundbedürfnisse, die jeder von uns verspürt. Doch wer immer wieder besonders viel davon braucht, wirkt auf andere schnell bedürftig und anstrengend. Er/sie agiert beispielsweise zu anhänglich, überempfindlich und unselbständig und ist auf die permanente Aufmerksamkeit und Zustimmung anderer angewiesen. Emotional bedürftige Männer und Frauen können ungewollt ihre sozialen Beziehungen negativ beeinflussen und vor allem in Partnerschaften zu echten Problemen führen. Woran man die psychologischen Anzeichen emotionaler Bedürftigkeit in Beziehungen erkennen kann und welche Möglichkeiten es gibt, dieses Verhaltensmuster zu überwinden, zeigen wir Dir in diesem Artikel.
Bedürfnisse wahrnehmen und stillen: Eine Herausforderung
Inhaltsverzeichnis
Es gibt Tage, an denen man sich einsam oder überfordert fühlt. Vielleicht hast Du gerade einen stressigen Arbeitstag hinter Dir und sehnst Dich danach, von Deinem Partner oder Deiner Partnerin liebevoll empfangen zu werden? Oder Du möchtest einfach nur von Deinen Sorgen erzählen. In den Momenten, in denen unsere Seele nach Streicheleinheiten ruft, kann es verlockend sein, unser Verlangen nach Aufmerksamkeit in den Vordergrund zu stellen und von unseren Bezugspersonen zu erwarten, dass sie darauf eingehen. Dann wollen wir unter Umständen von unserem Partner bzw. unserer Partnerin in den Arm genommen werden. Oder wir erhoffen uns in einem Gespräch mit Freunden, dass unsere Meinung zu einem Sachverhalt bestätigt wird. Oder wir sind gezielt auf der Suche nach Ablenkung und Zerstreuung.
Doch genau hier liegt die große Herausforderung: Während wir uns nach emotionaler Unterstützung sehnen, hat unser Gegenüber ebenfalls eigene Empfindungen und Bedürfnisse. Mitunter decken sich diese gerade nicht mit den eigenen. Ist dem so, werden wir auf uns selbst zurückgeworfen und müssen schauen, wie wir mit dieser schwierigen Situation umgehen. Unsere emotionalen Bedürfnisse zu erkennen und zu stillen, ist also immer ein Balanceakt. Dabei müssen wir die eigenen Ressourcen nutzen und gleichzeitig Verständnis für die Grenzen anderer entwickeln. Hierfür ist es hilfreich, die Anzeichen für Bedürftigkeit in einer Beziehung frühzeitig zu erkennen.
Anzeichen emotionaler Bedürftigkeit erkennen
Indem Du Dich selbst liebst und für Dich sorgst, schaffst Du eine solide Basis für Dein emotionales Wohlbefinden. Kümmerst Du Dich zu wenig um Dich selbst, legst Du Dein Glück unbewusst in die Hände anderer. Ohne ein gesundes Maß an Selbstwert und Selbstliebe besteht die Gefahr, dass wir in eine emotionale Abhängigkeit geraten. Vor allem sobald wir eine Bindung zu jemandem eingehen. Anzeichen emotionaler Bedürftigkeit zeigen sich häufig bei Menschen, die in einem Umfeld groß geworden sind, wo die Eltern kaum verfügbar waren und Emotionalität eher negativ behaftet war. In der Kindheit haben sie häufig Zurückweisung erfahren. Dadurch haben sie einen unsicheren Bindungsstil entwickelt, der ihre Angst vor unerfüllter Nähe und Abweisung zum Ausdruck bringt.
Der Teufelskreis emotionaler Bedürftigkeit in der Beziehung
In einer Partnerschaft plagt emotional bedürftige Männer und Frauen mitunter die permanente Angst, fallengelassen zu werden, und der Eindruck mangelnder Wertschätzung. Da sie sich vermehrt als nicht liebenswert wahrnehmen, zweifeln sie oft an, dass ihr Partner bzw. ihre Partnerin sie wirklich liebt und reagieren häufig eifersüchtig. Bedürftige Männer und Frauen sind immer auf der Suche nach echten Liebesbeweisen und emotionaler Bestätigung.
Ein falsches Wort, eine seltsame Geste, eine unbeantwortete Nachricht, ein merkwürdiger Blick oder ein ausgebliebenes Kompliment werden als schmerzhafte Bestätigung dieser Ängste erlebt. Sie sind sehr schnell verunsichert und brauchen ihren Partner bzw. ihre Partnerin, um sich grundsätzlich sicher und gut zu fühlen. Ohne ihn/sie fühlen sie sich unvollständig. Sie klammern übermäßig, sind recht fordernd und passen sich sehr schnell den Vorlieben ihres Beziehungspartners bzw. ihrer Beziehungspartnerin an, um ihn oder sie bloß nicht zu verlieren.
Diese Menschen fühlen sich schnell in die Ecke gedrängt und emotional erschöpft. Die Unsicherheit der emotional bedürftigen Person ist oft nämlich so groß, dass liebevolle Worte und Gesten nur selten genug sind, um sie dauerhaft zu beruhigen. Das kann in einer Beziehung sogar so weit gehen, dass emotional bedürftige Männer und Frauen ihre Gegenüber manipulieren, um ihre Bedürftigkeit letztendlich zu befriedigen. Schließlich entsteht oftmals ein Teufelskreis, der früher oder später zum Ende der Beziehung führt.

Emotionale Bedürftigkeit überwinden
Ungesunde Bindungsmuster lassen sich am besten bekämpfen, indem man ihrer Ursache auf den Grund geht. Menschen, die an sich selbst Anzeichen emotionaler Bedürftigkeit entdecken, sollten sich diesem Problem öffnen und eine Art Bestandsaufnahme durchführen. Finde heraus, welche Merkmale auf mich zutreffen, welche nicht? Welchen Bindungsstil lege ich in Beziehungen an den Tag? Welche Denk- und Verhaltensmuster erkenne ich dabei? Warum reagiere ich in diesen und jenen Situationen so, wie ich es tue? War das schon immer so oder gibt es beispielsweise ein bestimmtes Ereignis in meiner Vergangenheit, das mich besonders geprägt hat?
Natürlich schadet es auch nicht, sich Basiswissen der Psychologie anzulesen, um die eigene emotionale Bedürftigkeit besser zu verstehen und zu überwinden. Oder führe ein offenes Gespräch mit Freunden, Familie oder dem (Ex-)Partner bzw. der (Ex-)Partnerin. Alles, was Dir hilft, Dich selbst besser zu verstehen und Dein emotionales Wachstum fördert, ist erlaubt. Dabei ist es enorm wichtig, dass Du Dir selbst gegenüber völlig ehrlich bist. Hast Du Probleme mit Deinem Selbstwertgefühl oder andere markante Auffälligkeiten erkannt? Dann solltest Du Dir lieber früher als später ein Herz fassen und ab sofort konsequent daran arbeiten.

Die Wichtigkeit des Alleinseins
Bist Du nicht fähig, in Deiner Beziehung allein zu sein, solltest Du hier ansetzen. Du kannst Dich beispielsweise darin üben, indem Du Deinem Partner bzw. Deiner Partnerin mehr Freiraum gibst und ihn/sie regelmäßig etwas allein unternehmen lässt. Das kann am Anfang einmal im Monat sein, später dann schrittweise öfter. Besprecht gemeinsam, ob und wie viele Nachrichten Du in dieser Zeit schreiben darfst.
Sorge in dieser Zeit gut für Dich. Verbringe sie mit entspannten Dingen, die Dir Spaß machen und Dich von negativen Gedanken ablenken. Vielleicht gehst Du einem eigenen Hobby nach oder Du schaust Deine Lieblingsserie? Keine Frage, zu Beginn wird es Dir schwerfallen, die emotionale Bedürftigkeit zu überwinden und Dich aus einem festgefahrenem Muster zu befreien. Du wirst aber schnell merken, dass es von Mal zu Mal besser wird. Das Alleinsein wird positive Veränderungen in Dir auslösen.
Solltest Du allerdings ernsthafte Zweifel bekommen, Deine Denk- und Verhaltensmuster jemals selbst in den Griff zu bekommen, ist professionelle Hilfe der beste Weg, um eine nachhaltige Veränderung herbeizuführen. Denk immer daran: Mutig ist nicht der, der keine Angst hat. Mutig ist der, der sie überwindet, indem er sich ihr stellt. Und manchmal muss man dafür nach einer helfenden Hand greifen.
Selbstfürsorge mindert die emotionale Bedürftigkeit
In einem gesunden Maß emotional bedürftig zu sein ist sowohl für Männer als auch Frauen normal. Schließlich wünscht sich jeder, geliebt, akzeptiert und unterstützt zu werden. Dennoch sollte immer ein Gleichgewicht zwischen unserer Selbstfürsorge und unserem Miteinander bestehen, besonders in partnerschaftlichen Beziehungen. Oftmals braucht es Zeit, sich besser kennenzulernen und zu wissen, was man in einer Beziehung wirklich sucht.
Emotionale Bedürftigkeit in der Beziehung kann darauf hindeuten, dass wir ungesunde Bindungsmuster aufgebaut haben. Etwas in unserem Leben ist für uns selbst noch nicht in Ordnung. Durch diese Selbstbesinnung und durch persönliches Wachstum lässt sich lernen, die eigenen Bedürfnisse besser zu verstehen. Infolgedessen können wiederum wertvolle Veränderungen herbeigeführt werden. Auf lange Sicht ist es möglich, die Ängste und Sorgen, die sich hinter der emotionalen Bedürftigkeit verbergen, gut in den Griff zu bekommen.