Kinder sind neugierig – nicht nur auf die große, spannende Welt, in die sie hineinwachsen, sondern auch auf ihre eigenen Körper, die sie erst noch erforschen müssen. Doch so manch einem Erziehungsberechtigten fällt die altersgerechte sexuelle Aufklärung der eigenen Kinder nicht ganz so leicht. Eine wertschätzende und gelungene Sexualerziehung ist allerdings von großer Bedeutung. Sie vergrößert die Chancen, dass Kinder nicht nur offener und befreiter mit sexuellen Themen umgehen, sondern auch mögliche Gefahrensituationen leichter erkennen und vermeiden können.
Denn wer aufgeklärt ist, besitzt ein gesundes Maß an Selbstbewusstsein. Und wer in erotisch-sexuellen Belangen achtsam mit sich selbst und seinem Körper umgeht, tut dies auch mit anderen Menschen. Wir geben Tipps, mit denen Eltern das Thema Aufklärung und Sexualität gut meistern können.
Sexualerziehung ist (k)ein Kinderspiel
Inhaltsverzeichnis
Mit Kindern über Liebe, Sex, Verhütung, Schwangerschaft und Co. zu sprechen, ist häufig unangenehm und setzt ein gewisses Fingerspitzengefühl voraus. Außerdem ist es wichtig, dass sie sich auch als körperlich-lustvolle Menschen begreifen dürfen, die darüber kein schlechtes Gewissen zu entwickeln brauchen. Hier entscheidet meist die Scham und die Unsicherheit der Eltern, wie damit umgegangen wird. Denn Kinder sind sensibel für die Spiegelungen der Erwachsenen.
Insofern ist es sinnvoll, mit der sexuellen Erziehung nicht erst im Kindergarten oder in der Schule zu beginnen. Wenn Du bereits Deinem Baby/Kleinkind oder jüngerem Kindergartenkind vermittelst, wie wichtig es ist, dass man sich geborgen und anerkannt fühlt und dass das Erkunden des eigenen Körpers eben nicht mit Scham behaftet zu sein braucht, ist bereits viel gewonnen.
Abgesehen davon wollen Kinder ihren Wissensdurst und ihre Neugier stillen und mit ihren Fragen auch ernst genommen werden. Vermittele Deinem Kind/Deinen Kindern also, dass es sich jederzeit damit an Dich wenden kann und dass Du für die entstehenden Fragen auch ein offenes Ohr hast. Sicherlich gibt es Orte, wie beispielsweise die Kasse im Supermarkt, die sich für ein längeres und intensives Gespräch weniger anbieten. Aber auch das kannst Du ja kommunizieren. Am besten tust Du dies in Kombination mit dem Hinweis, dass Zeit und Aufmerksamkeit für sexuelle und erotische Themen sehr wichtig sind.
Es geht also im Wesentlichen darum, einen offenen, entspannten Gesprächsraum zu schaffen und Kindern zu signalisieren, dass Du gerne bereit bist, Dich ganz unbefangen mit ihnen und ihren sexuellen Kommunikationsbedürfnissen zu beschäftigten. Vertrauen ist dabei das A und O. Denn nur bei einer stimmigen Atmosphäre und einer angenehmen Gesprächskultur können Inhalte sinnvoll vermittelt werden.
Wann ist der beste Zeitpunkt für welches Gesprächsthema?
Was heißt es, dass Mama sich neu verliebt hat? Und wo kommen eigentlich die Babys her? Mehr als die Hälfte aller Kinder in Deutschland würde gerne mehr über Liebe und Sex erfahren. Dies ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Forschungsinstituts Iconkids & Youth im Auftrag der Zeitschrift „Eltern Family“. Insgesamt 56 % der befragten Mädchen und Jungen im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren gaben demnach an, in Sachen Sexualität besser Bescheid wissen zu wollen.
Je nach Altersstufe der Kinder kommen unterschiedliche Fragestellungen auf, beispielsweise diese:
- Wie heißen die Körperteile (inklusive der Geschlechtsteile), wie funktionieren sie und wie sollte man sie pflegen?
- Auf welche Weise entstehen Kinder und wie verläuft eine Schwangerschaft?
- Wie sind die körperlichen Veränderungen während der Pubertät einzuordnen?
- Welche Hygiene-Artikel gibt es und wie werden sie verwendet?
- Warum ist Verhütung wichtig und welche Methoden gibt es?
Dabei ist zu beachten, dass manche Kinder früher, manche etwas später fragen. Eine genormte Regel von wegen „ein Vierjähriger oder eine Vierjährige muss dieses und jenes wissen“, existiert also nicht. Beachte aber, dass Sexualerziehung und alles, was damit verbunden ist, unter Kindern durchaus kein seltenes Thema ist. Es ist eher hilfreich, wenn Töchter und Söhne mit manchen Fragen und Sachverhalten nicht erst auf dem Schulhof konfrontiert werden. Dort sind Fehlinformationen nämlich keine Seltenheit.
Aufklärung in den verschiedenen Entwicklungsstufen
Die unterschiedlichen Entwicklungsstufen lassen sich dabei in etwa wie folgt einteilen: Vor-Kindergartenkind, Kindergartenkind, jüngeres und älteres Grundschulkind, jüngere und ältere Jugendliche. Aber wie gesagt, klare Alters- und Themengrenzen bestehen nicht. Und damit kann es sich auch anbieten, bereits Fünfjährigen den Sinn hinter Kondomen zu erklären, wenn im Supermarkt oder an einer anderen Stelle die Frage danach aufkommt. Eben immer in altersgerechter, wertschätzender Sprache.
Frühe Aufklärung lohnt sich, denn in der Pubertät fällt Sexualerziehung oft schwerer. Dann wird es vielen Jugendlichen peinlich, mit den Eltern über Sexualität zu reden. Konkrete Fragen, die sich um Sexualität drehen, besprechen sie in der Regel lieber mit Gleichaltrigen. Doch auch in dieser Phase können Eltern noch viel dafür tun, Kinder zuverlässig aufzuklären. Fällt das Reden schwer, können sie Bücher und Broschüren anschaffen und so auslegen, dass das Kind sie unauffällig nehmen und lesen kann.
Wissen ist Macht – auch bei der Sexualerziehung
Zugegeben, der Begriff Wertschätzung ist inzwischen recht häufig gefallen. Doch genau damit hat Sexualerziehung eben sehr viel zu tun. Was nicht bedeutet, dass Du Deinem Kind/Deinen Kindern aus wohlwollender Vorsicht und Sorge um sie, alles verbieten solltest. „Mein Kind ist dafür noch zu jung.“ Ein Satz, der in unendlich vielen Eltern-Kind-Foren in puncto Liebe, Sex und Zärtlichkeit kursiert und aufgrund von angeblichen Berichten von bestimmten Vorkommnissen regelmäßig für Schnappatmung bei Müttern und Vätern sorgt.
Kindliche Sexualität unterscheidet sich allerdings von der Erwachsenen. Kinder denken und fühlen noch nicht in den Kategorien, wie wir es tun. Auch wenn sie sich an den Genitalien berühren, können es angenehme Gefühle sein, die aber nicht unbedingt als sexuell empfunden werden. Durch die Erwachsenenbrille betrachtet, wird daraus schnell bedenkliches Verhalten.
Leider gibt es immer noch genügend Vorfälle, die den Tatbestand der sexuellen Nötigung oder Belästigung erfüllen. Umso wichtiger ist es, Kinder zu ermächtigen, mit ihrem Körper selbstbestimmt und selbstbewusst umzugehen. Dazu gehört auch, die eigenen und fremden Grenzen respektieren zu lernen. Wesentlich dafür ist das Stärken der kindlich-jugendlichen Eigenverantwortung durch ein hohes Maß an wertfreien, aber korrekten Informationen.
Zugang zu Informationen
Nur wenn Kinder und Jugendliche über sexuelle Belange gründlich Bescheid wissen, können sie angemessen und verantwortungsvoll handeln. Und das ist es doch eigentlich, was sich alle Eltern wünschen. Deshalb solltest Du selbst gut informiert sein, um die Fragen rund um Sexualität beantworten zu können. Scheue Dich aber auch nicht, bei Bedarf sicheres Faktenmaterial für Dich oder für Deine Kinder zu nutzen. Du kannst auch ruhig zugeben, dass Du eine Frage nicht auf Anhieb beantworten kannst.
Kaufe Deinem Kind beispielsweise altersgerechte Bücher, besorge Broschüren oder schaut gemeinsam eine passende Sendung. Älteren Jugendlichen kann man außerdem auch gute Internet-Adressen empfehlen, wie zum Beispiel den Verein Lilli oder den Bundesverband pro familia. Diese beschäftigen sich unter anderem mit der sexuellen Entwicklung und Aufklärung von Kindern und Jugendlichen. Auch Du kannst einen Blick auf diese Webseiten werfen und Dich informieren oder passendes Info-Material für Dein Kind heraussuchen.
Kinder lernen von ihren Vorbildern
Die Familie prägt die Einstellung des Kindes zur Sexualität – sowohl mit Gesprächen und Aufklärung als auch durch das alltägliche Leben. Die Kleinen übernehmen die Werte und Ansichten der Großen, weil sie ihnen vorgelebt werden. Hinterfrage also Deine eigene Einstellung zum Thema Sexualität. Informiere Dich und sei Deinem Kind/Deinen Kindern ein gutes und aufgeschlossenes Vorbild! Gehe z. B. offen mit dem Thema Nacktheit um und benenne Körperteile beim Namen. Damit schaffst Du eine Atmosphäre, in der sich Deine Kinder sexuell frei entwickeln können. Gleichzeitig klärst Du sie damit nicht nur auf. Du beschützt sie auch.